hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

 
Ausflüge in Erez-Israel:
Der Jarkon

Von Dr. J. Engel, Jerusalem
Erschienen in der Zeitschrift Zion, Monatsblätter für Lehre, Volk, Land, herausgegeben vom Zentralbüro des Deutschen Misrachi, 1. Jahrgang, Heft Nr. 2, Februar 1929.

Einer der wasserreichsten und interessantesten Flüsse Palästinas ist der uns aus dem Bache Jehoschua bekannte "Jarkon", heute "Audja" benannt, der seinen Ursprung in der Nähe von Râs-el-Ain, unweit der jüdischen Kolonie Petach Tikwa hat. Wenn mich als Lehrer mit dem Spezialstudium der Geographie an und für sich schon jeder Fluss interessiert, so hatte doch naturgemäss in einem so wasserarmen Land wie Palästina dieser wasserreiche Fluss, der stellenweise eine Breite von 40 - 50 Metern und eine Tiefe von 6-7 Metern erreicht, mein besonderes Interesse. Ist doch ein solcher Fluss, den man bei der Dürre und Wasserarmut des Landes fast versucht wäre, einen Strom zu nennen, für die Entwicklung der Pflanzungskulturen in weitem Umfange seines Flussgebietes von außerordentlicher Bedeutung.

Als ich vor etwa 20 Jahren nach Palästina kam, war der Jarkon kaum ernstlich beachtet. Ich nahm bald Gelegenheit mit meiner Schule eine Exkursion an den Jarkon zu machen. Es war das damals gar nicht ein so leichtes Unterfangen, denn die Schwierigkeiten des Geländes waren beträchtliche. Mit Hilfe einiger Esel hätte man schon manches Hindernis leichter überwinden können, da wir solche aber nicht zur Verfügung hatten, mussten wir glühende Sanddünen zu Fuss durchqueren, ehe wir nach etwa vierstündigem, mühevollem Marsch, an unser Ziel gelangten.

Der Lohn für unsere Mühe blieb nicht aus. Ein prachtvoller, sehr umfangreicher Orangegarten nahm uns gastlich auf. Grosse, alte Feigenbäume, die im weiten Halbkreis kranzartig den Fluss umstanden, gewährten uns Schatten und ersehnte Kühlung. Wir folgten dem in vielen Windungen sich die fruchtbare Niederung dahinschlängelnden Lauf des ruhig und scheinbar bedächtig fliessenden Flusses bis zu seiner Mündung. Bis weit hinaus ins Mittelländische Meer konnten unsere Augen die Wasser des Jarkon verfolgen, die sich ihren Weg in die azurblaue Ferne bahnten.

An der Küste des Meeres entlang wandernd, über die kahlen Sandstrecken, auf denen heute die blühende Frühlingsstadt Tel Aviv liegt, erreichten wir wieder Jaffa, die von der Wanderung am Flusse heiss und matt gewordenen Füsse in den an die Küste herandrängenden Wogen kühlend. Nur wer eine solche Wanderung hinter sich hat, versteht die Wohltat zu würdigen, die unser Vater Abraham den drei Männern gewährte, als er ihnen Wasser für ihre Füsse anbot.

Einen anderen Teil des Flusses sollte ich bei anderer Gelegenheit kennen lernen. Dieses Mal benutzte ich einen Wagen für den Ausflug. Auf der Hinfahrt besuchte ich die blühende deutsche Templerkolonie Sarona, deren nordwestliche Grenzen sich bis zum Jarkon erstrecken. Hier befinden sich die sogenannten "Sieben Mühlen". Der Name schien uns übertrieben. Waren es früher einmal sieben Mühlen ? Der Araber nennt den Ort noch immer so und würde es vermutlich noch immer weiter tun, wenn auch einmal die letzte der Mühlen ihre Arbeit eingestellt haben wird. Heute treibt der Jarkon noch mehrere primitive Mühlen und der Fellache der Umgebung bringt hierher sein Getreide, um Mehl für den eigenen Gebrauch zu erhalten. Für uns aber birgt diese Stelle unseres Flusses eine wundersame Überraschung. Nächst der Chaussee, die nach Nablus führt, erhebt sich ein kleiner Hügel, ein abgerundeter Kegel von regelmässiger, fast mathematischer Figur, der "Berg Napoleons" genannt wird. Ein schmaler Feldweg führt uns um den Hügel herum und jetzt offenbart der Jarkon sich uns in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit. Hier sind die sieben Mühlen! Araber, ich habe Dir Unrecht getan, man muss diese Stelle ewig sieben Mühlen nennen: von sieben Felsen aus stürzt sich der Jarkon in einer Höhe von 4—6 Metern mit grossem Getöse ins tiefere Tal und bildet unterhalb der Gefälle mehrere, mit herrlichsten Bäumen üppig bestandene Inseln. Das sind des Schöpfers sieben Mühlen am Jarkon.

Später hatte ich einmal Gelegenheit, eine andere Stelle des Flusses zu besuchen, an der zehn Wasserfälle sich in das tiefer gelegene Flussbett ergiessen. Auch hier wieder der arabische Name "die zehn Mühlen".

Eine besondere Anziehungskraft übte das Quellental unseres Flusses bei Râs-el-Ain auf mich aus. Râs-el-Ain selbst ist wenig reizvoll. Es ist ein elendes arabisches Dorf auf einer kleinen Anhöhe, wie es hunderte von Dörfern im Tal gibt. Interessant sind jedoch die allerorts auftauchenden sprudelnden Quellen, die auf einer verhältnismässig kurzen Strecke zu einem ganz ansehnlichen Flusse zusammenströmen, der dann die alte Festung Antipatris in einem fast runden Kreis umfliesst. Josephus berichtet darüber: "Zum Andenken an seinen Vater gründete Herodes in der schönsten Ebene seines Landes, in der vielgepriesenen Ebene Saron, in einer von Flüssen bewässerten und von Bäumen bedeckten Gegend, eine Stadt, die er Antipatris nannte". Von der Stadt ist keine Spur zurückgeblieben. Hingegen bietet die vom Jarkon umflossene, auf einem weithin sichtbaren, steilen Hügel sich erhebende Festungsruine auch in unseren Tagen einen imposanten Anblick: ein stummer Zeuge einer ruhmreichen Vergangenheit.

In der letzten Zeit wird der Name des Jarkon sehr oft im Zusammenhang mit den im Entstehen begriffenen Ruthenberg'schen Elektrizitätswerken genannt. Der Ruthenberg'sche Plan sieht nicht nur die Erfassung der Wasserkräfte des Jordan vor, sondern will auch die Verwertung der Wasserfälle des Jarkon mit einbeziehen. Ferner gilt es als eine beschlossene Tatsache, das nicht vom Jordan, sondern vom Jarkon her das seit jeher unter Wassernot stark leidende Jerusalem mit Wasser versorgt werden wird. Damit wird ein für alle Mal die Wasserfrage in Jerusalem ihre entgültige Lösung finden.

Auch noch eine andere Ausnutzung des Jarkon soll hier Erwähnung finden. Seit einiger Zeit sieht man in Tel-Aviv Autoomnibusse mit der Aufschrift: "Nach dem Jarkon". Für den geringen Preis von einem halben Piaster, etwa 10 Pfennigen, bringen sie Erholungssuchende in knappen zehn Minuten an die Ufer des Flusses. — Hier, wo noch vor wenigen Jahren wüste Einöde war, stehen heute etwa dreissig Häuser und Baracken jüdischer Anwohner. Den Fluss bevölkert eine ganze Flottille von Ruderbooten, die dem Erholung und Zerstreuung suchenden Publikum zur Verfügung stehen. Vom frühen Nachmittag bis spät in die Nacht wird der gesunde Rudersport betrieben, hebräische Lieder klingen zum Takt der sich regelmässig hebenden und senkenden Ruder. So dient der Jarkon der Gesundung und sportlichen Ertüchtigung der Tel-Aviver Stadtbevölkerung. Der Fluss aus dem Buche Jehoschua, der schon den ersten jüdischen Einwanderern nach 40 jähriger Wüstenwanderung ein segenspendender Freund erschienen sein mag, spendet ihren späten Nachkommen, die wieder das alte Land der Verheissung in Besitz nehmen, den gleichen Segen und die Freundschaft. Stundenlang rudert man stromaufwärts (jetzt ist mir das Wort "Strom" doch ganz unbewusst entschlüpft), an herrlichen von Orangengärten umsäumten Ufern entlang, begleitet vom Klang der in ständigem Takt arbeitenden Motore, die aus dem Fluss das Wasser für die Gärten pumpen . . .

Freude- und lebenspendender Jarkon !

Der Jarkon ist Israels zweitgrößter Fluss. Er entspringt nördlich von Petach Tikwah bei Tel Afek (Antipatris). Er ist 27,5 km lang und fließt auf seinem Weg zum Mittelmeer unter anderem durch die Stadtgebiete von Ramat haScharon, Bnei Brak, Ramat Gan und Tel Aviv.

Noch in den 50er Jahren war der Jarkon ein beliebtes Erholungsgebiet für die Bewohner von Tel Aviv und seine Ufer luden zum Baden ein. Industrie und Abwässer verschmutzten das Wasser jedoch in extremem Maß. 1997 stürtzte eine provisorische Holzbrücke ein, als die Athleten der 15. Maccabia Spiele durch den Park zum Ramat Gan Stadium marschierten. Etwa 100 Menschen stürzten ins Wasser, vier Athleten wurden getötet, 67 weitere zum Teil schwer verletzt, woran vor allem die giftige Mischung aus Abwässer und Chemikalien des Jarkon Schuld war.

Erst diese Katastrophe führte zu einem Umdenken und zu Maßnahmen der Restaurierung. In den vergangenen Jahren konnte die Wasserqualität deutlich verbessert werden. Zudem wurden die historischen Orte, wie etwa "Die sieben Mühlen" (Schewa Tachanot) restauriert, sowie zahlreiche Rasenflächen und Spielplätze angelegt. Der Yarkon Park ist heute die grüne Lunge von Tel Aviv und zieht Erholungssuchende aus der ganzen Gush Dan Gegend an.

Fotos: © haGalil 2008

hagalil.com
Search haGalil
e-Postkarten


DE-Titel
US-Titel

Books


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved