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Judentum und Israel
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Martin Schäuble, Noah Flug:
Die Geschichte der Israelis und Palästinenser
Carl Hanser Verlag 2007
Euro 17,90

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Die Teilung Palästinas, die Staatsgründung Israels und der erste Arabisch-Israelische Krieg

Leseprobe - Noah Flug und Martin Schäuble: "Die Geschichte der Israelis und Palästinenser"
Mit freundlicher Genehmigung des Carl Hanser Verlages

1947, die letzten Tage im November. Alex Orli lebte in einem Flüchtlingslager im besiegten Deutschland. Dem polnischen Juden misslang wenige Monate zuvor ein Einreiseversuch nach Palästina. Im britischen Mandatsgebiet, rund 3000 Kilometer vom Flüchtlingslager entfernt, hatten Holocaust und Zweiter Weltkrieg die Situation verändert. 650 000 Juden und 1,2 Millionen Palästinenser lebten nun in Palästina. Eine Sonderkommission der Vereinten Nationen hatte sich ein Bild von der Lage gemacht. Sie hatte bereits im August 1947 zwei Vorschläge vorgelegt: Einige Kommissionsmitglieder hatten einen föderalen Staat Palästina empfohlen, mit einem arabischen und einem jüdischen Landesteil. Jerusalem sollte die gemeinsame Hauptstadt werden.

Die Mehrheit der UN-Kommission aber hatte etwas grundlegend anderes vorgeschlagen, um den Palästina-Konflikt zu lösen. Sie warb für die Teilung des britischen Mandatsgebietes in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Da sowohl Juden, Christen als auch Muslime nach Jerusalem pilgern, sollte die Stadt unter internationaler Kontrolle stehen. Die UN-Mitglieder sahen ihre Empfehlung als gerechte Lösung für Palästinenser und Juden: "Es ist eine Tatsache, dass beide Völker ihre historischen Wurzeln in Palästina haben und dass beide eine lebenswichtige Bereicherung für das ökonomische und kulturelle Leben dieses Landes darstellen. Die Teilungslösung berücksichtigt diese Überlegung voll und ganz."

Die arabischen Regierungen hatten sich gegen den Teilungsplan gestellt. Die jüdische Vertretung in Palästina, die Jewish Agency, hatte ihn offiziell akzeptiert. Doch die endgültige Entscheidung traf weder die jüdische noch die muslimische oder christliche Bevölkerung in Palästina. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stimmte über den Teilungsbeschluss ab.

Alex Orli wartete am 29. November 1947 im Nachkriegsdeutschland gespannt auf Nachrichten – an diesem Tag führte die UN die Abstimmung durch. Britische Soldaten hatten Alex Orli und die rund 4500 weiteren Passagiere des Flüchtlingsschiffes Exodus im Sommer 1947 gestoppt. Die Einwanderung nach Palästina war aus britischer Sicht illegal. Die Vereinten Nationen könnten das mit ihrer Entscheidung nun ändern.

Es dauerte nicht lange, da erreichte das Ergebnis der Abstimmung Alex Orli: 33 Mitgliedsländer stimmten für eine Teilung, unter ihnen Frankreich, die Sowjetunion und die USA. 13 Staaten waren dagegen, darunter die arabischen Nachbarländer Palästinas: Ägypten, Libanon, Syrien. Der einstige Herrscher über das Gebiet, Großbritannien, enthielt sich. Doch die nötige Zweidrittelmehrheit kam zustande.

Für Exodus-Passagier Alex Orli ging ein Traum in Erfüllung: "Im Radio hörten wir von der UN-Entscheidung. Im Flüchtlingscamp gab es eine riesige Feier. Die Nachrichten waren unglaublich. Wir wussten, wir werden unseren eigenen Staat haben, und die Briten können uns nicht mehr aufhalten."

Wieso stimmten die meisten UN-Mitglieder für eine Teilung? Dafür gab es verschiedene Gründe: Für katholische Länder wie Frankreich, Polen oder Brasilien war ein international verwaltetes Jerusalem sehr wichtig. Der Zugang zur Grabeskirche Jesu in der Altstadt, zum Ölberg und weiteren Pilgerstätten wäre für Christen langfristig gesichert. Es gäbe keine Abhängigkeit vom Wohlwollen eines jüdischen oder muslimischen Staates.

Für die USA war die Entscheidung alles andere als leicht. Auf dem Spiel standen die Beziehungen zu den arabischen Ländern, die alle gegen eine Teilung waren. Die US-Regierung war aber als Öl-Abnehmer auf ein gutes Verhältnis mit den arabischen Staatsführern angewiesen. Auch militärisch sprach wenig für eine Teilung. Das US-Militär rechnete aus, wie viele Soldaten notwendig wären, damit Palästina nach einer Teilung nicht im Chaos versinkt: Etwa 100 000 US-Soldaten, so hieß es, müssten in der Region stationiert werden.

US-Präsident Harry S. Truman stellte sich dennoch hinter die Teilungsidee. Dafür sprachen ein innen- und ein außenpolitischer Grund. In den USA standen die Präsidentschaftswahlen an, und Truman war auf Stimmensuche. In Illinois und New York hoffte er auf Mehrheiten, dort lebten viele amerikanische Juden. Und außenpolitisch gesehen: Es war die Anfangsphase des Kalten Krieges, der Konflikt mit der Sowjetunion unter Josef Stalin gewann von Tag zu Tag an Schärfe. Ein jüdischer Staat konnte da ein wichtiger Partner im Nahen Osten werden – militärisch und wirtschaftlich.

Die Sowjetunion hoffte ebenso auf einen neuen Verbündeten. Ein neuer kommunistischer, jüdischer Staat, so dachte man, könne die Pläne der USA für die Region bremsen. Den größten Einfluss auf die Entscheidung der Vereinten Nationen aber hatte der Holocaust. Von den weltweit 17 Millionen Juden waren sechs Millionen ermordet worden. Viele UN-Mitglieder wollten den Ruf nach einem unabhängigen jüdischen Staat auch deshalb nicht ignorieren.

Josef Arnan hörte in Palästina von der UN-Entscheidung. Er hatte als Kind mit seiner Familie Deutschland bereits 1933 hinter sich gelassen. Doch die Feier nach dem UN-Beschluss dauerte nicht lange: "Ich war zu der Zeit Student in Haifa. Dort gab es ein kolossales Fest. Wir haben alle auf der Straße gefeiert und getanzt. Ich hatte am nächsten Tag Diplomprüfung in organischer Chemie. Während der Klausur hörte ich bereits die Schüsse von draußen. Denn in Haifa war schon Krieg. Mein Diplom ist noch unterschrieben von der Jewish Agency, von der Britischen Administration und der Universität. Mit dem Diplom ging es direkt zum Militär. Nach dem UN-Beschluss hat für mich der Krieg bereits angefangen."

Manche nennen es einen Bürgerkrieg, andere einen Guerillakampf, in dem sich bewaffnete jüdische und palästinensische Gruppen gegenseitig bekämpften. Vom Tag der UN-Entscheidung Ende November 1947 bis Mitte Mai 1948 starben auf palästinensischer und jüdischer Seite Hunderte Zivilisten, Soldaten und Freischärler. Bombenattentate, Überfälle auf Busse und Angriffe auf jüdische Siedlungen und palästinensische Dörfer erschütterten die Region. Der alltägliche Terror machte das Leben in Palästina nach dem Teilungsbeschluss für beide Seiten noch gefährlicher.

Bis April 1948, in der ersten Phase nach der UN-Entscheidung, griffen vor allem Palästinenser zur Waffe. Sie lehnten eine Teilung ab und fanden in ihrem Kampf bald Unterstützung von den arabischen Nachbarländern. Die Arabische Liga, ein im März 1945 gegründetes Bündnis verschiedener Nahost-Staaten, sandte eine Freiwilligentruppe nach Palästina. Fawzi al-Qawuqdschi führte die Arabische Befreiungsarmee mit rund 6000 Kämpfern an.

Von April bis Mitte Mai 1948 schlugen die Haganah und die jüdischen Untergrundbewegungen zurück. Auf der Liste standen gegnerische Dörfer, die an der wichtigen Verbindungsstraße von Tel Aviv nach Jerusalem lagen. Zugleich nahmen jüdische Kämpfer Städte ein, die laut UN-Beschluss zum zukünftigen jüdischen Staat gehören sollten. Palästinenser ergriffen die Flucht oder wurden vertrieben.

Obwohl viele Länder den Waffenhandel offiziell unterbanden, erreichten immer neue Rüstungsgüter den Nahen Osten. Europa glich nach dem Zweiten Weltkrieg einem Lager an ausgedienten Waffen. Und die Nachfrage auf jüdischer und arabischer Seite war groß. Eine weitere Verschärfung des Konflikts war abzusehen. Denn Großbritannien bereitete den Abzug seines Militärs aus Palästina vor. Das Kabinett in London hatte einen kompletten Rückzug aus dem Gebiet beschlossen. Bis Mitte Mai 1948 sollten alle britischen Soldaten und Beamten das Land verlassen haben.

David Ben Gurion rechnete Anfang April mit dem Schlimmsten. Der Vorsitzende der jüdischen Selbstverwaltung stellte fest: "Am 15. Mai, wenn das Mandatsregime offiziell endet, wird das Land in vollem Umfang einem Angriff der arabischen Streitkräfte ausgeliefert sein. (…) Die arabischen Staaten haben mehr oder weniger gut ausgebildete Armeen. Manche haben Luftstreitkräfte. Ägypten hat auch eine Marine. Das ist, kurz gesagt, die Lage – eine, die uns mit einem schicksalhafteren Problem konfrontiert als alle Probleme, denen wir in über 1800 Jahren gegenüberstanden."

Die jüdische Gemeinde bereitete sich auf den Krieg vor. Schila Ben Jehuda hatte einen gescheiterten Einreiseversuch nach Palästina hinter sich. Die geborene Britin versuchte es ein zweites Mal. Dieses Mal hatte sie Erfolg, lebte bald in einem Kibbuz und fand Arbeit, was damals nicht leicht war". "Wir mussten die Farmer überreden, damit wir für sie arbeiten durften. Die meisten hatten arabische Arbeiter angestellt. Die waren billiger und viel schneller. Wir hatten keine Chance, mit ihnen zu konkurrieren. Wir mussten wirklich um Arbeit kämpfen. Ich arbeitete mit einer Freundin in der Gemüseernte. Das Unkraut wuchs schneller, als wir es entfernen konnten. Eines Tages sagte der Farmer zu uns: ›Es tut mir leid. Ihr seid reizende Mädchen, aber ich verliere Geld. Good bye!‹"

Anfang 1948 erhielt Schila Ben Jehuda ein neues Arbeitsangebot: "Aber niemand sagte mir, was ich zu machen hätte. Erst als ich im neuen Kibbuz ankam, erfuhr ich es. Ich sollte in einer unterirdischen Munitionsfabrik arbeiten. Kurz darauf stand ich in der Wäscherei vor einer riesigen Waschmaschine. Das komplette Gerät wurde auf die Seite geschoben und ich entdeckte ein Loch mit einer Leiter. Arbeiter kletterten raus, und es sah aus, als würden sie aus der Hölle kommen. Schmutzig, Ringe unter den Augen – es war die Nachtschicht. Ich kletterte runter und sah die Fabrik, die Tische, die alten Maschinen."

Am 15. Mai 1948 endete das britische Mandat. Doch das war ein Samstag, der siebte Tag der jüdischen Woche und somit ein Problem für Ben Gurion. Ein jüdischer Staat konnte nicht am Schabbat ausgerufen werden – der wöchentliche Feiertag dauert vom Sonnenuntergang am Freitag bis zum Sonnenuntergang am Samstag. Streng religiöse Juden fahren an diesem arbeitsfreien Tag kein Auto, sie telefonieren nicht, schalten das Licht weder ein noch aus und besuchen die Synagoge. Die meisten Israelis aber gestalten den freien Tag so wie viele Christen ihren Sonntag und Muslime ihren Freitag. Sie treffen Freunde, unternehmen etwas mit der Familie oder gehen ihren Hobbys nach.

Ben Gurion nahm auf den jüdischen Feiertag Rücksicht und rief daher am Freitag, 14. Mai, vor Beginn des Schabbats, aber auch vor dem Ende der Mandatszeit, den Staat Israel aus. Bis zu diesem historischen Augenblick hatte Ben Gurion einen langen Weg zurückgelegt. 1886 in der Nähe von Warschau geboren, wanderte er 1906 nach Palästina aus. Dort engagierte er sich politisch und erregte den Unmut der osmanischen Behörden. Er musste das Land verlassen und lebte fortan in den USA. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches reiste Ben Gurion 1918 erneut ein. Er gründete 1930 Mapai, die Arbeiterpartei, und bekleidete wichtige Ämter in der Jewish Agency und der Zionistischen Weltorganisation.

Radiosender übertrugen Ben Gurions Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948 ins ganze Land. Der jüdische Staat erhielt einen historischen Namen: Israel. "Wir hatten zu Hause kein Radio", erinnert sich die Palästinenserin Fatmah al-Hadi. "Ich arbeitete auf dem Feld und kam zurück in mein Dorf, um unsere Kamele zu füttern. Wir halfen anderen mit unseren Tieren beim Transport ihrer Ernte, dafür erhielten wir einen Teil davon. Die Leute im Dorf haben erzählt, was es an Neuigkeiten gibt. Die Briten waren gegangen und die Juden kamen."

Mohammed Hasan Scheich Yosef hörte es im Radio, las es in der Zeitung, aber wollte es nicht wahrhaben. Der Wohnort des Palästinensers sollte zum neuen Staat Israel gehören. "Wir fühlten uns hoffnungslos. Wir konnten nichts machen. Es war ein schlimmes Gefühl der Erniedrigung. Ich weinte". Seine Frau Chairia: "Ich war zu Hause und hatte Angst rauszugehen. Wir dachten, die Juden greifen uns mit ihren Waffen an, aber sie taten es nicht."

Die USA erkannte den neu gegründeten Staat Israel einige Stunden, die Sowjetunion zwei Tage später an. Bereits kurz nach Ben Gurions Rede herrschte der Ausnahmezustand – die Menschen in der israelischen Mittelmeerstadt Tel Aviv machten die lange Allenby Straße zur Festmeile. Zu den Feiernden gehörte Hava Keller. Sie kam im polnischen Lodz zur Welt. 1940 hatte sie das Land auf der Flucht vor den Nationalsozialisten verlassen. Ihre Freude am 14. Mai 1948 war groß. "Es war eine verrückte Nacht. Die Restaurantbesitzer verteilten kostenlos Essen und Trinken. Es war richtig lustig. Am nächsten Tag weniger. Die Schießereien hatten am Morgen begonnen. Araber aus dem benachbarten Jaffa eröffneten das Feuer auf Leute in Tel Aviv. Ich erhielt einen Befehl und kämpfte bald für die Haganah."

Ihr späterer Ehemann, Yakov Keller, war von Anfang an nicht in Festlaune. "1948 war ich noch in der Schule. Jeder um mich herum hatte gefeiert. Aber ich war nicht froh, ich hatte das Gefühl: Das bedeutet Krieg. Und ich lag richtig." Der gebürtige Berliner lebte seit 1933 in Palästina, wovon ein Teil nun Israel war. Für ihn sollte es schon bald zu den ersten Kampfhandlungen kommen.

Am Tag nach Ben Gurions Rede vom 14. Mai 1948 marschierten Soldaten aus sieben arabischen Ländern ein. Es war der Beginn des ersten Arabisch-Israelischen Krieges. Die Arabische Liga veröffentlichte am Tag der Invasion eine Erklärung. Darin versprachen die Mitgliedsländer "Frieden, Sicherheit und Wohlstand für diesen Teil der Welt". Abd ar-Rahman, der Generalsekretär der Arabischen Liga, fand auf einer Pressekonferenz andere Worte: "Dies wird ein Ausrottungskrieg und ein Massaker sein, von dem man wie von dem mongolischen Massaker und den Kreuzzügen sprechen wird."

Der erste Arabisch-Israelische Krieg war ein Kampf wie David gegen Goliath – darin sind sich viele Israelis und Palästinenser bis heute einig. Die Streitfrage ist lediglich, wer David und wer Goliath war. Auf beiden Seiten kursieren bis heute stark voneinander abweichende Angaben zum Verlauf des Krieges. Eine israelische Version: Die riesigen arabischen Armeen überfielen bestens ausgerüstet mit modernem Kriegsgerät Israel. Die Israelis waren weit in der Unterzahl und kaum bewaffnet, schlugen aber dennoch die Araber in einem heroischen Kampf in die Flucht.

Die arabische Version: Die heldenhaften arabischen Armeen griffen an, um die palästinensischen Brüder zu retten. Sie kämpften geschlossen Seite an Seite und rückten so in Windeseile voran. Dabei waren sie dem Sieg fast zum Greifen nahe. Aber nur fast, denn unerwartet kamen den Israelis modernste Waffen aus dem Ausland zur Hilfe, die einen arabischen Sieg unmöglich machten.

Was geschah wirklich? Zunächst muss der Krieg in mehrere Phasen eingeteilt werden. In der ersten Phase vom Kriegsausbruch am 15. Mai 1948 bis zum ersten Waffenstillstand am 10. Juni war Israels Existenz in der Tat bedroht. Soldaten aus Ägypten, Transjordanien, Syrien, Irak, Saudi-Arabien, dem Libanon und Jemen marschierten ein. Flugzeuge warfen Bomben über Tel Aviv ab, arabische Truppen griffen jüdische Ortschaften an. Lokale Banden beteiligten sich an den Attacken, einige von ihnen schlossen sich der palästinensischen Armee des Heiligen Krieges an.

Der Israelin Hava Keller ging es wie vielen. Die ausgelassene Feier auf Tel Avivs Straßen lag erst ein paar Stunden zurück, schon erhielt sie den Befehl, zu ihrem Kibbuz zu gehen, um ihn zu bewachen. Zuvor hatte Hava Keller eine Bekannte noch um einen Gefallen gebeten. "Einer Freundin gab ich zwanzig Briefe. Sie waren alle für meine Eltern. Jeder trug ein anderes Datum. Sie musste jede Woche einen Brief für mich abschicken. Ich wollte nicht, dass meine Eltern Angst um mich haben."

Dazu gab es allen Grund. Die Araber waren den Israelis in der ersten Phase weit überlegen. Sie kämpften mit den besseren Waffen und besaßen schweres Kriegsgerät wie Panzer und Artillerie. Die israelische Feuerkraft war zu Beginn dagegen sehr bescheiden. Manche Waffen stammten aus eigener, improvisierter und fehlerhafter Produktion. Für Haganah-Soldat Josef Arnan gehörte das Waffen-Wirrwarr zum Alltag: "Ich war Späher in der Negev-Wüste. Ich schlich mich nachts an den Feind heran, zeichnete in die Landkarten ein, wo er steht. Am Anfang musste ich ein Gewehr und einen Stahlhelm mit einem Kameraden teilen. Wer gerade im Einsatz war, der bekam die Ausrüstung. Das mit den Waffen war ein solches Durcheinander. Wir hatten in der Armee englische, kanadische, russische, italienische Waffen und amerikanische Maschinengewehre, die von Flugzeugen abmontiert wurden."

In den ersten Kriegstagen standen sich auf beiden Seiten etwa gleich viele Soldaten gegenüber. Nach der Veröffentlichung israelischer Militärdokumente gehen viele Historiker von folgenden Zahlen aus: Bis zu 30 000 arabische Kämpfer standen etwa 35 000 israelischen Soldaten gegenüber. Auf israelischer Seite kämpften die Mitglieder der Untergrundbewegungen, die Soldaten der Haganah und allen voran deren Eliteeinheit, die Palmach. Das hebräische Palugot Machaz bedeutet Stoßtruppen, die zusammengesetzten Anfangsbuchstaben der zwei Wörter ergeben Palmach.

Uri Chanoch gehörte der Palmach an. Er hatte das Konzentrationslager Dachau überlebt und wanderte 1946 in Palästina ein. Ein Jahr später meldete er sich freiwillig zur Palmach. Die Zeit im nationalsozialistischen Deutschland holte ihn im Krieg wieder ein: "Manchmal hörte ich aus der Ferne deutsche Schimpfworte wie ›Schweinehunde‹. Auf der arabischen Seite kämpften auch deutsche Söldner. Das motivierte uns nur noch mehr zum Kampf. Einer meiner besten Freunde wurde vor meinen Augen erschossen. Zuvor hatte er mir immer gesagt, dass die für ihn bestimmte Patrone die Fabrik noch nicht verlassen hat. Der Aufopferungswille war groß. Wenn wir diesen Krieg verlieren, dann gibt es kein Land, dann wartet nur das Meer auf uns."

Die meistumkämpfte Stadt dieses Krieges lag auf fast 800 Metern über dem Meeresspiegel, 50 Kilometer östlich von Tel Aviv: Jerusalem. Es gab für die Israelis nur eine Zufahrtsstraße hoch in die bergige Landschaft. Am Wegesrand besetzten transjordanische Soldaten eine ausgediente, aber gut befestigte britische Polizeistation in Latrun, 15 Kilometer von Jerusalem entfernt. Jeder israelische Eroberungsversuch scheiterte, kostete Menschenleben und zwang die jüdische Armee zum Umdenken.

Haganah-Soldat Yakov Keller eskortierte Konvois von Tel Aviv nach Jerusalem, trotz der bei Latrun drohenden Gefahr. "Ich wurde beschossen, und ich schoss zurück. Irgendwann konnten wir Jerusalem nicht mehr verlassen. Also kämpfte ich innerhalb der Mauern weiter. Von allen Seiten gab es Schüsse, aber Jerusalem ist aus Stein gebaut. Außerhalb der Gebäude war es jedoch lebensgefährlich. Einmal wurde ich verwundet. Da brachten sie mich ins Krankenhaus. Dort wollte ich nicht bleiben, überall lagen Menschen mit amputierten Armen und Beinen. Der Kampf ging bis zu dem Tag, als der neue Weg von Tel Aviv nach Jerusalem fertiggestellt war, die Burmastraße."

In einem zerstörten Bauernhof in der Mittelmeerstadt Jaffa errichteten israelische Soldaten ein Lager für gefangen genommene arabische Kämpfer. Am 15. Mai 1948, dem Tag nach der Unabhängigkeitserklärung Israels, hatten arabische Armeen den jungen Staat angegriffen.

Die neue Verbindung erinnerte mit diesem Namen an einen im Zweiten Weltkrieg benutzten Pass – auf ihm waren einst Waffen und Soldaten vom Indischen Ozean durch das südostasiatische Burma über das Gebirge nach China gebracht worden. Die israelische Burmastraße entstand unter der Aufsicht eines US-amerikanischen Oberst. David Daniel Marcus hieß der Offizier, den viele nur Mickey Marcus nannten. Seit Januar 1948 hatte er die Haganah auf den bevorstehenden Krieg vorbereitet.

Der prominenteste Ausländer auf arabischer Seite war kein US-Amerikaner, sondern ein Brite. John Bagot Glubb, Glubb Pascha genannt, befehligte die "Arabische Legion" der transjordanischen Armee. Glubb Pascha machte aus dem Verband eine schlagkräftige Elitetruppe. Der Brite sollte später zahlreiche Sachbücher zum Nahen Osten verfassen. Mickey Marcus hatte dazu keine Möglichkeit, der US-Amerikaner auf israelischer Seite starb während des Krieges. Seine Geschichte ist mit Kirk Douglas und John Wayne verfilmt worden. Der Titel: "Der Schatten des Giganten".

Die erste Phase des Arabisch-Israelischen Krieges ging mit einem Waffenstillstand am 11. Juni 1948 zu Ende. Tage zuvor fasste die israelische Regierung die verschiedenen militärischen Verbände des jungen Staates zusammen. Die neu formierte Streitkraft hieß Israelische Verteidigungsarmee. Israelis nutzten die kommenden Wochen des Waffenstillstandes, um die Defizite an Feuerkraft aufzuholen. Sie kauften schweres Kriegsgerät, Kampfflugzeuge und neue Gewehre. Auch tschechoslowakische Fabriken lieferten die gewünschte Ware. Ihre Lager waren gefüllt mit ursprünglich für die deutsche Wehrmacht bestimmten Waffen. Die Nationalsozialisten hatten von 1939 bis 1945 das Gebiet besetzt und die Rüstungsproduktion vorangetrieben.

Der Israeli Abraham Bar-Am sah sofort, woher seine Waffe stammte. Der Jugendliche erklärte, er sei 18 und konnte sich so der Armee anschließen. "Ich kämpfte mit einer deutschen Mauser. Auf meinem Gewehr war sogar noch das Hakenkreuz abgebildet. Das hat mich nicht gestört, denn wir hatten kaum Ausrüstung und waren auf alles angewiesen. Viele von uns kämpften mit den Waffen, die für die Deutschen produziert wurden."

Die arabischen Armeen rüsteten ebenso auf, bei Weitem aber nicht so, wie der inzwischen gut organisierte jüdische Staat. Auch die Truppenstärken hatten sich verändert: 65 000 bewaffnete Israelis standen nun den arabischen Angreifern gegenüber. Deren Zahl sollte erst Monate später diese Höhe erreichen. Jüdische Neueinwanderer sorgten für den enormen Anstieg. Täglich erreichten Schiffe die israelische Küste, denn das Ende des britischen Mandats hatte eine unbeschränkte Einreise ermöglicht.

Die zweite Phase des Krieges begann am 8. Juli 1948. Die Ägypter brachen den Waffenstillstand mit Israel, und in den kommenden Monaten sollte es weitere solche Fälle geben. UN-Vermittler Graf Folke Bernadotte versuchte an den Tagen, an denen die Waffen schwiegen, zu verhandeln. Der schwedische Diplomat arbeitete einen neuen Teilungsplan aus. Demnach sollte der Norden des einstigen Mandatsgebietes den Israelis, der Süden den Palästinensern zugesprochen werden. Jerusalem sollte – wie von den Vereinten Nationen bereits beschlossen – unter internationaler Verwaltung stehen.

Alle Kriegsparteien verwarfen Bernadottes Vorschläge. Zugleich forderte der UN-Vermittler ein Rückkehrrecht für palästinensische Kriegsflüchtlinge und machte sich damit viele Feinde in Israel. Im September 1948 fiel er einem Attentat der jüdischen Untergrundbewegung Lechi zum Opfer, deren Mitglieder nach der Staatsgründung Israels weiterhin aktiv waren.

An der Nord- und Südfront Israels fanden derweil heftige Kämpfe statt. Im Süden hieß der Feind Ägypten. Abraham Bolotin erinnert sich: "Ich lag verletzt im Krankenhaus, wollte aber zurück zu meiner Einheit. Kaum war ich dort angekommen, erhielt ich das Bett des Soldaten, der am Vortag gestorben war. Das habe ich überhaupt nicht gemocht. Ich war im Süden an der ägyptischen Front stationiert. Wir mussten die Ägypter stoppen, sie warteten mit Maschinengewehren auf uns. Wir verloren viele Leute. Überall hörte ich die Schreie der Verwundeten. Der Kampf war schrecklich."

In den kommenden Monaten stieg die Zahl der Waffen und Soldaten auf israelischer Seite weiter an. Die arabischen Armeen hatten zunehmend Schwierigkeiten, ihre Einheiten mit Nachschub vor allem an Munition zu versorgen. Die israelischen Streitkräfte gewannen die Oberhand. Nicht weit entfernt vom See Genezareth stand Zvi Barzel, Soldat der Infanterie, siebte Brigade. "Wir kämpften gegen die Syrer in Galiläa, im Norden Israels. Die Araber eroberten das ganze Gebiet. Wir griffen vom Osten her an, um den Ort Zefat zu sichern. Andere kamen vom Süden und Westen. In drei Tagen befreiten wir das komplette Galiläa."

Die Vereinten Nationen schalteten sich erneut ein, und Anfang Januar 1949 stellten alle Seiten die Kämpfe ein. Die Waffenstillstandslinie von 1949 wurde Grüne Linie genannt. Auf arabischer Seite fielen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 5000 bis 15 000, auf israelischer Seite 4000 Soldaten. Hinzu kamen auf beiden Seiten Tausende Verwundete. Der israelische Soldat Yakov Keller kehrte mit einer leichten Verletzung zurück nach Tel Aviv. Dort erwarteten ihn zunächst nur schlechte Nachrichten: "Nach dem Krieg habe ich erfahren, wer aus welcher Familie und aus meiner alten Klasse alles gestorben ist."

Die Landkarte des Nahen Ostens hatte sich nach den Kampfhandlungen verändert. Israel dehnte das von den Vereinten Nationen im November 1947 zugesprochene Gebiet weit aus. Sah der Teilungsplan ursprünglich etwa 55 Prozent des Mandatsgebietes für den jüdischen Staat vor, so erklärte Israel nun 78 Prozent zu seinem Besitz. Doch auch Ägypten und Transjordanien, zwei der arabischen Angreifer zu Beginn des Krieges, erzielten Landgewinne. Ägypten verwaltete fortan den palästinensischen Gazastreifen, rund 60 Kilometer südlich vom israelischen Tel-Aviv am Mittelmeer gelegen.

Der transjordanische König Abdallah bin al-Hussein konnte sein Reich erweitern und nannte es schon bald Jordanien. Der Monarch herrschte ab sofort über Ost-Jerusalem mit der Altstadt und über das Gebiet westlich des Jordanufers, des Westjordanlandes. Hier liegen palästinensische Städte wie Hebron, Bethlehem, Ramallah, Jericho, Nablus oder Dschenin. Damit näherte sich der jordanische Machthaber dem großen Traum seines Vaters, Hussein ibn Ali. Der einstige Herrscher über Mekka hatte mit den Briten im Ersten Weltkrieg zusammengearbeitet und den Arabischen Aufstand 1916 angeführt. Die britische Regierung hatte ihm Hoffnung auf ein eigenes großes arabisches Reich gemacht; nun konnte einer seiner Söhne das Königreich vergrößern. Ein anderer Sohn, Feisal der Erste, war bereits von 1921 bis 1933 König des Irak gewesen.

Die Palästinenser, für die laut offizieller arabischer Erklärung der Krieg im Mai 1948 begonnen wurde, gingen leer aus. Jordanien setzte bald alles daran, nationalistische palästinensische Strömungen zu bekämpfen. Ein unabhängiger Palästinenserstaat war dem jordanischen König ein Dorn im Auge; der eigene Landgewinn war Abdallah ibn al-Hussein weitaus wichtiger. Der König regierte jedoch nur kurze Zeit über sein vergrößertes Reich. Ein Palästinenser ermordete ihn 1951 in Jerusalem.

Der erste Arabisch-Israelische Krieg erhielt unterschiedliche Bezeichnungen. In israelischen Geschichtsbüchern ist vom Unabhängigkeitskrieg zu lesen. Palästinenser nennen ihn dagegen al-Nakba, das ist arabisch und heißt: die Katastrophe. Ein israelischer Kriegsrückkehrer verdeutlichte diese unterschiedlichen Ansichten in zwei Büchern. Uri Avnery veröffentlichte sein Soldaten-Tagebuch in einer Zeitung und bald darauf in dem Buch "In den Feldern der Philister". Das Werk wurde zum Bestseller. Die heldenhaften Erzählungen machten den jungen Israeli in seinem Land berühmt. Der Eintrag vom 18. Juli 1948: "Sie kriechen aus ihren Schützengräben – die Soldaten der Südfront, die den wesentlich stärkeren Feind geschlagen haben, der besser ausgerüstet war. Sie hielten die Panzer fast mit bloßen Händen auf, erlebten endlose Kämpfe und wichen nicht zurück." Der erfolgreiche Autor legte schon bald ein zweites Buch nach. Der Titel war Programm: "Die Kehrseite der Medaille". Es machte Uri Avnery nach eigenen Angaben "vom Helden des Tages zum Volksfeind Nummer eins". In aller Ausführlichkeit beschreibt er die unschönen Seiten des Krieges. Er spricht von Vertreibungen palästinensischer Dorfbewohner und Plünderungen. Der kriegsbegeisterte Veteran wandelte sich zum Friedensaktivisten. Heute sind Uri Avnerys Bücher zwei von Hunderten von Werken, die über den ersten Arabisch-Israelischen Krieg erschienen sind. Viele Autoren beschäftigen sich mit der Frage, wieso die arabischen Armeen verloren haben. Ein oft genannter Grund: Die angreifenden Länder verfolgten unterschiedliche Ziele. So traten die Araber alles andere als geschlossen auf.

Von Anfang an standen sich zwei Blöcke gegenüber: die Haschimiten und die Anti-Haschimiten. Bei den Haschimiten handelt es sich um einen geschichtsträchtigen Clan. Sein Stammbaum reicht bis zum Propheten Mohammed zurück. Haschim war der Urgroßvater des Religionsstifters. Die Haschimiten, angeführt vom damaligen Transjordanien, wollten ihren Machtbereich weiter ausdehnen; nicht nur Palästina, sondern auch Syrien und der Libanon standen auf der Eroberungsliste. Die Anti-Haschimiten, allen voran Ägypten unter König Faruq, versuchten das zu verhindern und hatten auch selbst gegen einen Landgewinn in Palästina nichts einzuwenden.

Syrien und der Libanon machten sich wegen Transjordaniens Plänen um ihre eigene Unabhängigkeit Sorgen. Die Palästinenser standen ohne Mitspracherecht zwischen den Interessen der arabischen Nachbarländer. Die palästinensische Gesellschaft bestand zu dieser Zeit größtenteils aus Händlern in den Städten und Landarbeitern in den Dörfern. Die Familie, der sogenannte Clan oder Hamule auf Arabisch, stand im Mittelpunkt ihres Denkens, und nicht selten kam es zu Konflikten untereinander.

Zentrale Einrichtungen, die zum gemeinsamen Kampf mobilisieren oder Waffeneinkäufe hätten organisieren können, fehlten. Die Führungselite des Arabischen Aufstandes von 1936 bis 1939 existierte nicht mehr. Britische Soldaten hatten viele der rebellierenden Palästinenser hingerichtet oder ins Exil geschickt, andere starben im Kampf.

Al-Hadsch Ahmed Olayyan erlebte den Ausbruch, den Kriegsverlauf und die Einstellung der Kampfhandlungen in Jericho. Er bediente damals die Kunden im ältesten Café des angeblich ältesten Ortes der Welt. Britische Soldaten hatten bis zum Ende der Mandatszeit bei ihm ihren Tee bestellt. "Ich arbeitete auch bei Kriegsausbruch 1948 in Jericho. Damals schmuggelten Händler auf Kamelen und Eseln Waffen nach Jericho. Einige Revolutionäre kämpften, aber die Mehrheit blieb friedlich."

Die großen militärischen Auseinandersetzungen lieferten sich die Israelis nicht mit den Palästinensern, sondern mit den arabischen Invasoren. Eines der angreifenden Länder war zuvor noch Verhandlungspartner der Jewish Agency gewesen. Die jüdische Organisation hatte vor Kriegsbeginn mehrfach versucht, mit dem transjordanischen Königshaus einen Kompromiss zu finden. Am 17. November 1947 hatte sich Golda Meir heimlich mit König Abdullah bin al-Hussein getroffen. Die ranghohe Mitarbeiterin der Jewish Agency in Palästina kehrte jedoch erfolglos zurück.

Die arabischen Kriegspartner beobachteten Transjordanien wegen der Kontakte zur jüdischen Seite sehr misstrauisch. Ein gemeinsames Vorgehen der arabischen Armeen gab es während des Krieges kaum. Die Kommunikation untereinander war mangelhaft. Für den israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion stand fest: "Wir haben nicht gewonnen, weil unsere Armee Wunder vollbracht hat, sondern weil die arabische Armee miserabel ist."

Noah Flug und Martin Schäuble "Die Geschichte der Israelis und Palästinenser" © 2007 Carl Hanser Verlag München Wien

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