Mischmar Haemek, 27. 2. 35.
Wir sind hier
alle gesund und munter und bilden die fidele Bande von Mischmar Haemek.
Ich will Euch von der Arbeitseinteilung hier im Kibbuz erzählen: Vor 6 Uhr
weckt uns der Wecker, und dann geht es trotz aller Müdigkeit schnell raus aus
dem Bett. Wir waschen uns an einem an unserem Wohnhaus befindlichen
Wasserhahn, und dann müssen wir die Betten machen. Wer Zimmerdienst hat, muß
das Zimmer auskehren und aufwischen. Wir sind vier Jungen im Zimmer und haben
jede Woche abwechselnd Zimmerdienst.
Nach dem Waschen gehen wir in den Speise -räum zum Essen. Es gibt morgens Tee,
Butter, Schrippen, Hering oder sonst etwas und Grießbrei. Reichlich satt geht
man zur Arbeit. Die stärksten hacken jetzt am Abhang eines Wadis die
neugepflanzten Bäume. Da ich nun mal der Stärkste bin, muß ich natürlich
tüchtig loshauen. Wir arbeiten Akkord, weil der Kibbuz zu dem gepflanzten Baum
20 Piaster gibt. Wir arbeiten schon genau soviel wie die alten Chawerim des
Kibbuz. Zur Arbeit nehmen wir eine 5-Literkanne Zitronenwasser mit; denn es
ist schon empfindlich warm. Heute habe ich mit noch einem Chawer 300 junge
Bäume gepflanzt. Es war sehr schön, und weil wir zur Sonnenseite arbeiteten,
sind wir im Gesicht ganz braun geworden. Wir arbeiten von 7 bis 9 Uhr und von
9.30 bis 11.30 Uhr draußen. In den Wadis, wo wir bis jetzt arbeiteten, geht
der Weg zu den arabischen Zelten. Neulich waren wir mitten in der Arbeit, als
eine arabische Karawane, vorüberkam. Die Araber dachten, daß keiner von uns
arabisch kann und fluchten wie toll auf uns los. Zufällig arbeitete aber mit
uns ein Chawer, der schon zwölf Jahre im Lande ist und gut arabisch spricht.
Der fluchte nun zurück, was das Zeug hielt. Da wurde ein Araber wütend, nahm
seine Steinschleuder und warf nach uns. Da wir beinahe getroffen wurden,
nahmen wir Jungen alle unsere Hacken und liefen nach dem Zaun, der das
arabische Gebiet trennt. Nun bekamen die Araber Angst, liefen vom Steilhang
des Wadi herunter und ließen ihre Kamele stehen. Einer von uns kroch durch den
Stacheldraht und nahm ein paar Decken von den Kamelen Da kamen die Araber
wieder und bettelten, wir sollten ihnen die Decken zurückgeben. Schließlich,
als sie abgebeten hatten, sollte einer von ihnen an den Zaun kommen und die
Decken in Empfang nehmen. Aber sie hatten alle Angst. Da warfen wir die Decken
über den Zaun in ihr Gebiet. - So frech sind nur noch manchmal die jungen
Araber. Die alten sind sehr vernünftig. Mit einem, der oft in den Kibbuz
kommt, habe ich schon Frieden und Freundschaft
geschlossen.
Nach der Arbeit, um 11.30 Uhr, gibt es Mittagessen. Die Mahlzeit ist sehr
reichlich und abwechslungsreich. Nachher gehen wir alle unter die Brause — wir
haben dazu einen neuen Duschraum. — Dann lernen wir bis 2 Uhr Iwrith für den
Unterricht, der von 2 bis 3.30 Uhr dauert. Wir haben schon so viel gelernt,
daß wir uns mit den Leuten des Kibbuz einigermaßen unterhalten können. Die
Leute können zwar alle deutsch, aber es ist kein Wort aus ihnen
herauszubekommen. Wir müssen immer mit ihnen hebräisch sprechen. Gegen 4 Uhr
gibt es Kaffee, und dann haben wir bis um 6 Uhr frei; ich spiele dann meistens
Fußball. Von 6 bis 6.45 Uhr gibt es Abendessen (meistens warm), dann lesen wir
Zeitungen, und hinterher wird gesungen. Von 8 Uhr ab können wir machen, was
wir wollen. Meist schreiben oder lesen wir. Von 10.30 Uhr ab ist Nachtruhe und
jeder, der später kommt, bekommt Keile. — In zwei Monaten werden wir in unser
richtiges Arbeitsgebiet eingeführt werden. Ich glaube, ich komme zum Traktor.
Ihr könnt Euch ja denken, daß man nach einem so langen Arbeitstag sehr müde
ist. Darum will ich jetzt Schluß machen.
F.
Quelle: Jeruschalajim, den... Briefe
junger Menschen schildern Erez Israel. Gesammelt und herausgegeben von Rudolf
Melitz, Berlin 1936.
hagalil.com
01-05-08
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